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Hate Speech im Netz stoppen!

Bereits 273.502 Unterzeichner*innen.
Der Umgangston im Internet wird immer brutaler. Und das hat System: Vor allem rechte Gruppen beleidigen und erniedrigen Menschen gezielt. Sie beschimpfen sie aufs Übelste, veröffentlichen Namen und Adressen oder drohen mit dem Tod. Das Absurde: Sie bleiben oft straffrei. Die Justizminister*innen der Bundesländer könnten das ändern.
Unsere Forderung
Appell-Empfänger*innen

Justizminister*innenkonferenz
Vorsitzender: Peter Biesenbach (CDU/ NRW)
Guido Wolf (CDU/Baden-Württemberg)
Georg Eisenreich (CSU/Bayern)
Dirk Behrendt (Grüne/Berlin)
Susanne Hoffmann (CDU/ Brandenburg)
Claudia Schilling (SPD/ Bremen)
Anna Gallina (Grüne/ Hamburg)
Eva Kühne-Hörmann (CDU/Hessen)
Katy Hoffmeister (CDU/Mecklenburg-Vorpommern)
Barbara Havliza (CDU/ Niedersachsen)
Peter Biesenbach (CDU/NRW)
Herbert Mertin (FDP/Rheinland-Pfalz)
Peter Strobel (CDU/Saarland)
Katja Meier (Grüne/ Sachsen)
Anne-Marie Keding (CDU/Sachsen-Anhalt)
Claus Christian Claussen /CDU/ Schleswig-Holstein)
Dirk Adams (Grüne/ Thüringen)

Innenminister*innenkonferenz
Vorsitzender: Thomas Strobl (CDU/ Baden-Württemberg)
Thomas Strobl (CDU/Baden-Württemberg)
Joachim Herrmann (CSU/Bayern)
Andreas Geisel (SPD/Berlin)
Michael Stübgen (CDU/ Brandenburg)
Ulrich Mäurer (SPD/Bremen)
Andy Grote (SPD/Hamburg)
Peter Beuth (CDU/Hessen)
Torsten Renz (CDU/ Mecklenburg-Vorpommern)
Boris Pistorius (SPD/Niedersachsen)
Herbert Reul (CDU/NRW)
Roger Lewentz (SPD/Rheinland-Pfalz)
Klaus Bouillon (CDU/Saarland)
Roland Wöller (CDU/Sachsen)
Sabine Sütterlin-Waack (CDU/ Schleswig-Holstein)
Georg Maier (SPD/Thüringen)
Michael Richter (CDU/ Sachsen-Anhalt)

Sehr geehrte Damen und Herren,

der freie Meinungsaustausch und konstruktive Diskussionen im Netz sind bedroht – mit fatalen Auswirkungen für unsere Demokratie. Rechte Trolle und völkische Gruppen bedrohen und beleidigen, machen Bürgerinnen und Bürger mundtot. Sie manipulieren Debatten, statt demokratisch zu argumentieren. Die Täter*innen gehen oft straffrei aus.

Die Bundesländer können das ändern. Gemeinsam müssen sie sich dazu verpflichten, Opfer zu schützen und Täter*innen konsequent zur Verantwortung zu ziehen. Dafür braucht es:

1. Landesweite Opferberatungsstellen zu Hass im Netz

Die Opfer brauchen in jedem Bundesland eine zentrale Anlaufstelle, die speziell auf Hate Speech zugeschnitten ist. Sie dienen auch als Schnittstellen für alle betroffenen Institutionen.

2. Beauftragte für Hate Speech im Netz auf jeder Polizeidienststelle

Nur Polizist*innen, die das Netz und seine Dynamiken kennen, können die Opfer optimal unterstützen und die Täter*innen effektiv verfolgen.

3. Zentrale Ermittlungsstellen zu Hate Speech bei den Staatsanwaltschaften

Die Staatsanwaltschaften der Länder müssen Hate-Speech-Fälle zentral sammeln und auswerten, um erkennen zu können, wann es sich um systematische Attacken von rechten Gruppen handelt.

4. Vereinfachte Klagemöglichkeiten

Bei einem Zivilprozess müssen die Opfer in Vorkasse gehen und mehrere hundert Euro bezahlen. Das können sich viele nicht leisten – und so kommen die Täter*innen straffrei davon. Es braucht vereinfachte und kostengünstige Klagemöglichkeiten.

5. Präventionsprogramme an Schulen

Statistiken zeigen: Vor allem Jugendliche sind mit Hate Speech im Netz konfrontiert. Die Länder müssen Präventionsprogramme auflegen, die obligatorische Schulungen von Lehrer*innen und Jugendlichen ermöglichen.

5-Minuten-Info Hate Speech

Hate Speech (deutsch: Hass-Sprache) ist ein Oberbegriff für das Phänomen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit oder Volksverhetzung im Internet. Täter*innen beleidigen ihre Opfer, werten sie ab oder greifen sie an. Zum Teil rufen sie zu Hass oder Gewalt auf. 
Hate Speech ist keine simple Meinungsäußerung. 1997 hat ein Ministerkomitee des Europarats klar definiert, was unter Hate Speech zu verstehen ist: “Der Begriff ‘Hassrede’ (umfasst) jegliche Ausdrucksformen, welche Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen von Hass, die auf Intoleranz gründen, propagieren, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen, einschließlich der Intoleranz, die sich in Form eines aggressiven Nationalismus und Ethnozentrismus, einer Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten, Einwanderern und der Einwanderung entstammenden Personen ausdrücken.” 
Hasskommentare können strafbar oder nicht strafbar sein. Es gibt allerdings bisher keine einheitliche juristische Definition von Hate Speech.
Hate Speech ist eine Form von psychischer Gewalt, die bei den Betroffenen zu Erkrankungen wie Depressionen oder Schlafstörungen führen kann. In Extremfällen begehen Menschen sogar Suizid. Eine von uns in Auftrag gegebene, repräsentative Studie in Hessen zeigt: Unter den Folgen von Hate Speech leiden besonders junge Menschen. 30 Prozent der 18- bis 24-Jährigen klagen über Depressionen als Folge von Hass und Belästigungen im Netz. 
Neben den direkten körperlichen und emotionalen Folgen, hat der erlebte Hass aber auch Konsequenzen auf das Verhalten der Betroffenen. Häufig trauen sie sich nicht mehr so offen, ihre politische Meinung im Internet zu äußern. Dieser Effekt von Hate Speech zeigt aber auch bei vielen anderen User*innen Wirkung. In unserer repräsentativen Studie zu Hate Speech in Hessen gaben 51 Prozent der Befragten an, aus Angst vor Hass und Belästigungen seltener ihre politische Meinung im Netz zu äußern. Das zeigt: Hate Speech schränkt die freie Meinungsäußerung ein und bedroht damit unsere Demokratie.
Leider ja. Hate Speech ist im Netz allgegenwärtig. Das belegen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa aus dem Jahr 2018. Eine Umfrage ergab: Drei Viertel der Befragten war schon einmal Hate Speech im Netz ausgesetzt. Besonders auffällig: Unter jungen Menschen zwischen 14 und 24 Jahren waren es sogar 96 Prozent. In Netzwerken wie “Reconquista Germanica” oder “#Infokrieg” sammeln sich tausende rechte Aktivist/innen. Gemeinsam verbreiten sie Hass in Foren von öffentlich-rechtlichen Sendern, bei Facebook oder in den Kommentarspalten von Online-Medien wie Spiegel oder Focus. Sie beleidigen, bedrohen oder erniedrigen ihr Gegenüber - und machen es mundtot. Die Gruppen arbeiten organisiert: Jedes Mitglied hat mehrere Identitäten im Netz. So können sie zeitgleich mehrere Hasskommentare versenden. 
Dabei geht es ihnen auch um die Außenwirkung: Wer die Diskussion verfolgt, soll den Eindruck bekommen, die Rechten wären mit ihrer Meinung in der Mehrheit. Die Debatten im Netz färben sie so gezielt braun ein. Mit Erfolg: Vieles, was vor Jahren noch als rechts tabuisiert war, kann jetzt öffentlich geäußert werden.
Das hat mehrere Gründe:


Zu wenig Anzeigen
Laut einer Umfrage von Bitkom zeigen nur 19 Prozent der Opfer die Täter*innen auch an. 

Mangelnde Kapazitäten und Ausbildung bei der Polizei
Betroffene beklagen, dass sie nicht ernst genommen werden oder die Polizei keine Kapazitäten hat. 

Ermittlungen dauern zu lange
Betroffene warten bis zu einem Jahr auf Ermittlungsergebnisse.

Staatsanwaltschaften erkennen orchestrierten Hass nicht 
Fälle werden einzeln behandelt. So wird nicht klar, wann es sich um gezielte Angriffe handelt.

Prozesse sind zu teuer
Erfolg gegen Hate Speech haben in den meisten Fällen nur Zivilklagen. Da müssen die Kläger*innen aber in Vorkasse gehen. Das kann sich nicht jede*r leisten.
Campact fordert, dass die bestehenden Gesetze auch im Netz konsequent umgesetzt werden. Beleidigungen, die wir uns in der Öffentlichkeit niemals gefallen lassen würden, werden im Netz toleriert. Rechte Gruppen machen sich das zunutze. Würden die Täter*innen auch im Netz zur Verantwortung gezogen, würde das einen signifikanten Teil von Hate Speech langfristig eindämmen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtete die Betreiber*innen von Plattformen – wie Facebook oder Twitter – dazu, strafrechtlich relevante Hate Speech zu löschen. Seit April 2021 müssen die Betreiber*innen diese Inhalte nun auch an das BKA melden. Diese Neuerung ist grundsätzlich zu begrüßen, denn Löschen alleine reicht nicht: Hass im Netz muss auch verfolgt werden.

Fraglich ist allerdings, ob das BKA an dieser Stelle der richtige Adressat ist. Es besteht die Gefahr, dass das BKA so auch Daten von Nutzer*innen speichern kann, wenn sich ein Anfangsverdacht nicht bestätigt. Sinnvoller wäre es, Hasspostings direkt zur Prüfung an die Staatsanwaltschaften zu leiten. Sie könnten dann entscheiden, ob sich ein Anfangsverdacht bestätigt und Ermittlungen gegen den*die Täter*in verfolgt werden. Es wird zu beobachten sein, welche Auswirkungen diese Neuerung in der Praxis haben wird.
Strafverfolgung, Opferberatung, Gewaltprävention – das ist Ländersache. Also wenden wir uns mit der Kampagne an die Justizminister*innenkonferenz. Hier sitzen die Justizminister*innen aller Bundesländer an einem Tisch und vereinbaren, in welchen Bereichen rechtspolitisch Handlungsbedarf besteht und setzen gemeinsame Entwicklungsziele für die deutsche Justiz. “Was ist Hate Speech?”, BpB, 12. Juli 2017

”Junge Frauen als gute Opfer. Wie Rechte ihre Propaganda nach Handbuch verbreiten”, Berliner Zeitung, 26. Februar 2018

”Geh sterben! Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet”, Amadeo Antonio Stiftung

Zahlen zu Rechtsextremismus Online 2016”, Jugendschutz.net, Februar 2017

Öfter im Shitstorm”, Fluter, 7. Dezember 2016

Forsa Umfrage zu Hate Speech”, Landesanstalt für Medien NRW, 14. Juni 2018

Wie Trolle im Wahlkampf manipulierten”, Tagesschau Faktenfinder, 1. März 2018

Infokrieg mit allen Mitteln”, Tagesschau Faktenfinder, 13. Februar 2018

“Hasskommentare: Jeder 9. Internetnutzer war selbst schon Opfer”, Bitkom, 15. Dezember 2015

“Hass auf Knopfdruck”, ISD/Ichbinhier, 5. Juli 2018

“Hassrede und Radikalisierung im Netz”, ISD, 26. September 2018

“#Hass im Netz”, IDZ/Campact, 11. Oktober 2018

#KeinNetzfürHass”, Campact/IDZ, 24. März 2021

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